10. März 2020
Deutschlandweit steigen vielerorts die Immobilienpreise. Insbesondere in Großstädten und Ballungsräumen ist die Lage angespannt.
Plötzlich ist Karlsfeld die Nummer eins, nicht mehr München. Ganz oben steht der 22 000-Einwohner-Ort aus dem Landkreis Dachau im Index 2018, für den das Unternehmen F+B die offiziellen Mietspiegel von 350 Städten und Gemeinden bundesweit ausgewertet hat. Karlsfeld verdrängt damit erstmals seit 21 Jahren München vom Spitzenplatz. Mit einer Nettokaltmiete von 10,62 Euro pro Quadratmeter für eine 65 m²-Wohnung in mittlerer Lage und mit mittlerer Ausstattung zahlen Karlsfelder Mieter der Erhebung zufolge 53 Prozent mehr als im deutschen Durchschnitt. Knapp dahinter folgen München mit 10,45 Euro pro Quadratmeter und Stuttgart mit 9,97 Euro. Unter den Top Ten befinden sich mit Dachau und Germering noch zwei weitere Kommunen aus dem Münchner Umland.
Nun mag der Mietspiegelindex nur einen kleinen Ausschnitt der Realität widerspiegeln, zumal nur neue Mietverträge und Veränderungen der vergangenen vier Jahre in die Studie einfließen, der Bestand jedoch nicht. Die realen Mieten dürften damit in vielen Fällen unter dem offiziellen Wert liegen. Die Erhebung führt dennoch zwei Entwicklungen drastisch vor Augen: Erstens ist das Erregungspotenzial groß, wenn es um das emotionale Thema Miete geht. Gleich nach der Veröffentlichung von F+B waren die Boulevardzeitungen in Karlsfeld vor Ort. Sie befragten die Bewohner, fotografierten etwas in die Jahre gekommene gelbe Hochhäuser und titelten „DAS ist Deutschlands teuerste Stadt“, auch wenn Karlsfeld natürlich keine Stadt, sondern lediglich Gemeinde ist.
Zweitens aber zeigt der Mietspiegelindex, und das ganz ohne emotionale Komponente: Der Trend geht weiter, die Mieten in deutschen Metropolen wie München, Stuttgart, Berlin oder Hamburg klettern stetig – und gleichzeitig wird es auch im Umland dieser Städte richtig teuer. Noch stärker als die Mieten steigen nur die Kaufpreise für Immobilien, denn trotz eines regelrechten Baubooms entlang der S-Bahn-Strecken übersteigt die Nachfrage bei weitem das Angebot, wie der Immobilienverband Deutschland (IVD) in seinem aktuellen Marktbericht verkündet.
Für diese Erkenntnis braucht Martin Schmidt keinen Expertenbericht. Vor viereinhalb Jahren bekamen seine Frau und er Nachwuchs und genauso lange ist die Familie bereits auf der Suche nach einem Eigenheim. Mittlerweile ist noch eine Tochter geboren, doch die vier leben noch immer in ihrer Vier-Zimmer-Wohnung. „Ein eigenes Haus wäre das Ziel, ein Mittel-, Reihen- oder Eckhaus“, sagt Schmidt, der seinen wirklichen Namen lieber nicht verraten will. Wie so viele möchte er in der Öffentlichkeit lieber nicht über Geldanlagen sprechen. Denn auch in seinem Fall geht es um viel Geld. Die Familie hat sich auf Dachau festgelegt, vielleicht wäre noch Bergkirchen möglich: Die Infrastruktur ist ihr wichtig, dass es einen Supermarkt gibt und einen Biergarten. „Wir wollen nicht alles mit dem Auto fahren“, sagt Schmidt.
Riesig muss das Haus nicht sein. 120 bis 140 Quadratmeter wären wünschenswert, sagt der Familienvater, 750 000 bis 800 000 Euro könnten seine Frau und er investieren, gefunden haben sie damit nichts Passendes. „Dafür haben wir in der Stadt Dachau selbst bisher nur Häuser aus den Sechzigerjahren mit hohem Sanierungsaufwand gefunden“, berichtet er. In Vierkirchen hätten sie sich mal ein Haus angeschaut, das zuvor Bekannten gehörte. Es sei sogar freistehend gewesen, 400.000 Euro hätte es gekostet – allerdings nur in Erbpacht. „Das war jetzt auch nicht so supertoll“, sagt Schmidt.
Die hohen Immobilienpreise und die nötigen Kompromisse bringen die Familie in eine Zwickmühle: Denn eigentlich will sie ein Haus kaufen, damit die Kinder im eigenen Garten aufwachsen können, damit sie genügend Platz haben.
Wenn die Eltern so viel Geld ausgeben müssen, dass gemeinsame Urlaube in den kommenden Jahren nahezu ausgeschlossen sind, dass sie jeden Cent umdrehen müssen? Oder wenn das Haus so weit draußen steht, dass man wertvolle Stunden des Tages im Auto mit Pendeln verbringt?
Es sind diese Überlegungen, die die Schmidts bisher haben zögern lassen. „Klar, wenn wir gleich vor viereinhalb Jahren zugeschlagen hätten, wäre es noch wesentlich günstiger gewesen als heute“, sagt Schmidt. Und das Budget ohne weiteres erhöhen, ginge auch nicht. „Es bringt ja nichts, wenn das Haus bis zum Rentenalter nicht abbezahlt ist“, sagt Schmidt. Und auch hier wieder die Frage: Was hätten die Kinder davon?
An eigene Kinder denkt Hannah Meier (Name geändert) zwar noch nicht, an ihre Altersvorsorge hingegen schon. Eigentlich wollte sich die 28-Jährige eine Eigentumswohnung kaufen. „Aber das ist viel zu teuer für mich“, sagt sie. Investieren will sie trotzdem. Nicht in Dachau, wo sie wohnt, sondern weiter draußen, in Petershausen, Pfaffenhofen oder Aichach. Zwischen 20 und 30 Quadratmeter sollen es sein, und Hannah Meier will das Apartment dann vermieten. „Ich habe ein bisschen Startkapital und in meinem Umfeld haben viele positive Erfahrungen gemacht“, sagt sie.
Leicht sei die Suche allerdings nicht. Günstigere Objekte seien in vielen Fällen entweder „Bruchbuden“ oder nur in Erbpacht zu haben. Teurere Wohnungen hingegen seien schwer zu finanzieren. Bisher habe sie nur zwei Immobilien angeschaut – die richtige aber sei noch nicht dabei gewesen. Dabei ist ihr Kauf gar nicht für die Ewigkeit angelegt. „Nach ein paar Jahren könnte ich die Wohnung verkaufen“, sagt sie. Und dann in eine Wohnung für sich selbst investieren oder in ein größeres Objekt, das mehr Miete abwirft und damit nicht nur zum Monatseinkommen, sondern später auch zur Rente beiträgt.
Von einer eigenen Immobilie, sei es zum Wohnen oder Vermieten, träumen viele, nicht nur die Schmidts oder Hannah Meier. Die Gründe für die Entscheidung zum Kauf sind vielfältig.
Das zeigt eine aktuelle Umfrage, die das Statistikportal Statista in diesem Jahr veröffentlicht hat. 41 Prozent wollen demnach Mietzahlungen vermeiden, etwas mehr als ein Drittel schätzt das günstige Zinsniveau und die Unabhängigkeit vom Vermieter. Jeder fünfte Befragte findet, dass Immobilien krisensicher sind.
Geschichten wir die der Schmidts kennt Bernhard Döring, Immobilienexperte aus Dachau, nur zu gut aus seiner täglichen Praxis: „Das Angebot in Dachau ist viel zu gering, die Nachfrage enorm. Besonders familienfreundlicher Wohnraum ist knapp“.
Dachau profitiere von der Nähe zu München, von der S-Bahn und dem Regionalzug, der Pendler in nicht einmal einer Viertelstunde zum Hauptbahnhof bringt – ohne Halt und ohne Umsteigen, erklärt Stephan Kippes. Die Sache mit dem starken Markt gelte jedoch nur für Wohnimmobilien, denn bei gewerblichen Flächen gebe es durchaus Potenzial nach oben, wovon etwa die leerstehenden Ladenlokale in der Altstadt zeugten. „Bei Wohnen aber sieht es durch die Bank gut aus.“
Der IVD führt eine eigene Statistik, und dort weisen alle Kurven steil nach oben. Die Preise für freistehende Einfamilienhäuser etwa sind in den vergangenen fünf Jahren um 60 Prozent auf 879 000 Euro gestiegen.
„Einen ähnlichen Anstieg haben wir in der Region sonst nur noch in Erding“, sagt Kippes. Sonst fänden sich nirgends annähernd solche Werte, was auch daran liege, dass die Ausgangsbasis in Dachau relativ gering war. Auch in anderen Segmenten verzeichnet der IVD Steigerungen: Bei Doppelhäusern etwa schossen die Preise um 84 Prozent nach oben, bei Eigentumswohnungen mit gutem Wohnwert im Bestand um 76 Prozent. Der Quadratmeter kostet gut 4100 Euro, in München würden 6900 Euro fällig. Bei Neubauten muss man für den Quadratmeter in 5340 Euro hinlegen.
Fast schon moderat präsentiert sich im Vergleich dazu der Mietmarkt. Die Mietpreise in der Stadt Dachau sind im Vergleich dazu weniger stark gestiegen. Derzeit zahlt man für den Quadratmeter 13,30 Euro, was seit dem Jahr 2013 einen Zuwachs von 27 Prozent bedeutet. Die Werte seien allerdings nicht inflationsbereinigt, wie der Immobilienexperte betont.
„Ich rate immer Google oder die Bahn App heranzuziehen“, sagt Kippes. Jeder müsse selbst entscheiden, wie oft er bereit sei, umzusteigen oder wie lange der Weg zur Arbeit sein darf. Die Kosten fürs Pendeln sollten aber in die Kaufentscheidung eingerechnet werden. Allzu lange warten lohnt aber auch im Hinterland nicht, denn auch hier ziehen die Immobilienpreise an. Altomünster beispielsweise erlebe gerade einen Aufschwung, seit dort die S-Bahn regelmäßiger verkehrt als die A-Linie vorher.
Die Gründe für die Steigerungen sind vielfältig. Dachau profitiert und leidet gleichzeitig unter der Nähe zum Bevölkerungsmagneten München. Die Stadt ist für viele interessant, viele Menschen ziehen her. In Dachau und den anderen Kommunen im Landkreis ist das Bevölkerungswachstum sogar besonders stark. Bis 2036 soll die Einwohnerzahl nach Angaben des Bayerischen Landesamtes für Statistik um 15,5 Prozent zulegen. Die Bauinvestoren und -firmen kommen dieser Zunahme kaum hinterher. Das treibt die Immobilienpreise in die Höhe.
Gleichzeitig aber geht langsam der Platz aus. In vielen Kommunen, insbesondere in Karlsfeld, Röhrmoos und Markt Indersdorf, seien neue Baugebiete entstanden, um den hohen Siedlungsdruck auszugleichen, der unter anderem aus München komme. Das Urteil des IVD fällt dennoch eher negativ aus: „Trotz vieler Neubauprojekte kann die hohe Nachfrage im Landkreis nicht vollständig bedient werden.“ Besonders Baugrund innerhalb Dachaus ist rar, wie Kippes erläutert. Große Hoffnungen setzt er daher in die Bebauung des innenstadtnahen Geländes, auf dem früher die MD Papierfabrik produzierte.
Angezogen habe der Markt vor allem in den vergangenen zehn Jahren. Glück hatte also, wer davor gekauft hat. Oder wer jetzt verkaufen möchte. Dennoch mache man auch jetzt keinen Fehler noch zuzuschlagen, sagt Kippes. Wenn das Objekt nicht überteuert sei. Und wenn man es finanzieren könne, versteht sich. „Potenzielle Käufer sollten sich kritisch informieren und entspannt an die Suche gehen“, empfiehlt er. Vernünftige Immobilien ließen sich durchaus noch finden.
Ein weiterer Vorteil beim Haus- oder Wohnungskauf: das niedrige Zinsniveau. „Geschenkt bekommt natürlich niemand etwas, aber eine Finanzierung mit zwei Prozent ist schon sensationell“, sagt Kippes.
Warum München und das Umland so boomen? „Die Infrastruktur in ländlichen Gebieten ist in den vergangenen Jahrzehnten sträflich vernachlässigt worden. Da viele Gebiete im Umland schlecht erschlossen sind, sind sie für Unternehmen – also Arbeitgeber – häufig unattraktiv. Deshalb müssen die Arbeitnehmer pendeln. Was bei mäßiger Anbindung an den ÖPNV und seinen hohen Preisen zeit- und kostenintensiv ist. Dadurch ist das Umland auch für Arbeitnehmer weniger attraktiv. Das erhöht den Druck auf die Ballungsgebiete und die zumindest einigermaßen gut erschlossenen Gebiete“, erklärt Bernhard Döring.
Nach dem Immobilienbarometer von Interhyp und Immobilienscout24 wünschen sich mehr als die Hälfte der Befragten gute Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe des Eigenheims. 32 Prozent der Männer ist eine gute Anbindung an die Autobahn wichtig, das trifft nur auf jede vierte Frau zu. Durchaus überraschend: Männer legen größeren Wert auf gute Schulen (25 Prozent, Frauen: 19 Prozent) oder Kindertagesstätten in Wohnortnähe (20 Prozent, Frauen: 17 Prozent).
Darauf angesprochen, stellt IVD-Mann Kippes eine Gegenfrage: „Wo soll die Blase aktuell sein?“ Das beurteilen auch die Autoren einer Studie, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Auftrag gegeben und im Juli 2018 veröffentlicht hat. Die Experten halten eine bundesweite Immobilienblase zwar für unwahrscheinlich, sehen allerdings in großen Städten wie Berlin, München oder Hamburg durchaus Entwicklungen, die auf eine Preisblase schließen ließen. Dagegen aber spreche die relativ geringe Verschuldung der Haushalte und eine solide Finanzierung der Objekte.
Döring kommentiert dies so: „Eine Blase, wie wir Sie vor einigen Jahren in Amerika erlebt haben, sehe ich in Deutschland nicht. Zwar steigen die Verkaufspreise inzwischen nicht mehr so eklatant wie in den letzten Jahren, aber auch ein Preisrückgang ist nicht erkennbar. Die Nachfrage ist nach wie vor ‚echt‘ und die Käufer bringen eine solide Finanzierung mit.“
Das sehen nicht alle so. Im vergangenen Jahr etwa hat die Schweizer Großbank UBS ein weltweites Ranking angefertigt. Dieser Studie zufolge sind die realen Immobilienpreise in den sieben internationalen Großstädten, die sich im Blasenbereich befinden, seit 2011 um durchschnittlich die Hälfte gestiegen. Gefährdet in Deutschland seien vor allem München und Frankfurt.
München liegt knapp hinter Hongkong auf Platz zwei des Rankings und wäre damit anfälliger für eine Blase als New York. Den US-Analysen zufolge haben sich die Immobilienpreise in der bayerischen Landeshauptstadt nahezu verdoppelt innerhalb der vergangenen zehn Jahre. Eine Wohnung mit 60 Quadratmetern kostet im Schnitt acht Jahresgehälter eines Facharbeiters. Vor einem Jahrzehnt seien es noch vier Jahresgehälter gewesen. Auch im internationalen Mieten-Kaufen-Vergleich rangiert München relativ weit oben. Laut UBS muss man etwa 35 Jahre lang Miete bezahlen, um beim Kauf eine gleichwertige Wohnung zu finanzieren. 2008 waren es lediglich 25 Jahre.
Eine Immobilienblase, das ist eine Form der Spekulationsblase, bei der Immobilien meist in einem regional abgegrenzten Teilsegment des Marktes deutlich überbewertet werden.
Danach fallen die Immobilienpreise, und das in vielen Fällen sehr stark innerhalb von relativ kurzer Zeit. Gründe für die sinkenden Nachfrage können zum einen potenzielle Käufer sein, die abwarten, weil sie glauben, die Immobilienpreise könnten weiter sinken. Oder aber auch Banken, die nicht mehr so freigebig wie zuvor Kredite vergeben. Doch auch ein größeres Angebot kann eine Blase auslösen, etwa weil die Eigentümer ihre Immobilie auf den Markt werfen, bevor die Immobilienpreise weiter sinken.
Immobilienblasen sind kein reines Phänomen der Neuzeit, vielmehr beginnt ihre Geschichte wohl schon im siebten Jahrhundert vor Christus im heutigen Anatolien, wie die ZEIT berichtet. Wie man sich erzählt, herrschte dort König Midas, der wie sein Namensvetter aus den griechischen Sagen für seinen Reichtum bekannt war. Doch der Herrscher wollte mehr. Um sein Vermögen zu vermehren, und weil Gold und Silber auch damals schon knapp waren, griff Midas zu einem Trick. Er ließ den Metallgehalt der Münzen reduzieren, eine Geldflut auf den anatolischen Märkten war die Folge. Mit dem vermeintlichen Wohlstand stieg auch die Nachfrage nach Villen und Landhäusern. Die Immobilienpreise stiegen rasant. Doch als der Betrug mit den Münzen aufflog, stürzten sie genauso schnell wieder ab. So entstand die erste überlieferte Immobilienblase. (Quelle: www.zeit.de)
In der jüngeren Zeit, so erläutert Kippes, habe es drei große Blasen gegeben, keine davon allerdings war in Deutschland zu finden. Die Dramen spielten sich vielmehr im britischen London, in Spanien und den Vereinigten Staaten ab.
In London haben die Menschen nicht nur den Kaufpreis ihrer Immobilie fremdfinanziert, sondern gleich 120 Prozent aufgenommen, um sich von dem Geld gleich noch andere Dinge leisten zu können in der teuren britischen Hauptstadt. Kredite waren leicht zu bekommen, Immobilien waren beliebt. Durch das Zusammenspiel von vermeintlich unbegrenzter Kaufkraft und einem begrenzten Angebot zogen die Immobilienpreise deutlich an. Durch ein schlechtes Wirtschaftswachstum und die Turbulenzen durch die Brexit-Entscheidung sinken die Preise für Häuser in rasendem Tempo. Besonders betroffen sind Londons teuerste Stadtteile wie Wandsworth, das Preiseinbrüche von bis zu 15 Prozent verkraften muss, und Southworth mit minus 12,2 Prozent. (Quelle: www.handelsblatt.com)
Ganz anders gelagert ist die Situation in Spanien. Es wurde gebaut und gebaut und gebaut – „teilweise entstanden nur in Spanien so viele Immobilien wie im Vereinigten Königreich, Deutschland und Frankreich im gleichen Zeitraum zusammen“, erklärt Kippes. Die Folge: Es gab viel zu viele neue Häuser und Wohnungen, für die keiner sich mehr interessiert hat. Die Blase ist geplatzt. Und das mit fatalen Folgen für das Land: Spanien durchlebte die schlimmste Wirtschaftskrise seit den Zwanzigerjahren. Jeder Vierte verlor seinen Job, die Regierung kappte Sozialleistungen und erhöhte die Steuern, um die Banken zu stützen. Die Preise von Häusern und Wohnungen sanken um teilweise bis zu 50 Prozent. Nach Erhebungen des spanischen Wohnungsministeriums standen bis zu 800 000 Immobilien unverkauft und ungenutzt im Land herum, vor allem an den Küsten, wo die Entwickler und Investoren, die nun längst pleite gegangen sind, mit der größten Nachfrage nach Feriendomizilen gerechnet hatten.
Die wohl bekannteste Immobilienblase der jüngsten Zeit hat in den USA unzählige Leute um ihr Vermögen gebracht. In dem Land, in dem viele Sozialhilfeempfänger gleich mehrere Kreditkarten besitzen, wurden Häuser und Wohnungen im großen Stil an Menschen verkauft, die sich diese Objekte gar nicht leisten konnten. Lag die Quote der Hauseigentümer in den USA bereits 1997 vor der Immobilienblase bei 65,7 Prozent, stieg sie bis 2005 noch einmal auf 68,9 Prozent. Die Zahl der Eigenheimbesitzer wuchs dabei um fast zwölf Prozent. Die steigenden Immobilienpreise führten dazu, dass selbst Fehlinvestitionen zu keinen größeren Verlusten führten. Die Bereitschaft, immer riskantere Kredite zu vergeben, stieg. Als die Banken ihre Politik wieder änderten, versiegte der Geldfluss. Die Blase platzte, was als eine der Ursachen der Weltfinanzkrise 2007 gilt.
Bei genauerer Betrachtung stellt man allerdings schnell fest: Keines dieser Szenarien trifft auf den Großraum München zu. Hier zeige der Markt zwar Überhitzungserscheinungen, sagt Kippes. „Von einer Blase aber sind wir meilenweit entfernt“, erklärt der Immobilienexperte. Eine wichtige Rolle würden dabei auch die Banken spielen. Denn die finanzierten höchstens 80 Prozent der Kaufkosten, 20 Prozent müssten die Kunden in den allermeisten Fällen selbst aufbringen. „Das verhindert die schlimmsten Auswüchse“, sagt Kippes.
Der emeritierte Wirtschaftsprofessor Karl-Werner Hansmann von der Universität Hamburg etwa gehört zu den Mahnern. Er hat die Immobilienblasen in Spanien und den USA verglichen und daraus sechs Kriterien einer Immobilienblase abgeleitet: (Quelle: www.businessinsider.de)
Laut Hansmann sind alle diese Kriterien in Deutschland bereits seit 2015 erfüllt. Dennoch zeichnet sich zumindest für den Münchner Markt bereits jetzt ab, dass die Preise nicht mehr so stark steigen wie in der Vergangenheit, allmählich also ein Plateau erreicht sein dürfte.
Wer im Landkreis Dachau vom Eigenheim träumt, sollte sich den Experten vom IVD zufolge um ein Areal in Petershausen bemühen. Hier sei der Erwerb eines Baugrundstücks – relativ gesehen – „am günstigsten“, schreiben die Marktforscher. Hier am nördlichen Rand des Landkreises Dachau gibt es ein freistehendes Einfamilienhaus schon für 320 000 Euro, was in etwa 22 Prozent des Münchner Niveaus seien. Das könnten sich auch Martin Schmidt und seine Familie leisten. Allerdings dauert die Fahrt mit dem Auto nach Dachau eine knappe halbe Stunde, der Zug zum Hauptbahnhof braucht genauso lange. Das muss man mögen.
Autorin: Melanie Staudinger
[Ein Artikel aus unserem Hauspost-Archiv. Der Artikel erschien erstmals im Jahr 2019 in Hauspost Nr. 6]
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