26. November 2020
Mit kostenlosen Angeboten zur Immobilienwertermittlung wird man tagtäglich in allen möglichen klassischen und sozialen Medienkanälen geradezu bombardiert. Ob als Gutschein im Briefkasten, als Onlinetool auf Immobilienmakler-Webseiten und Immobilienportalen oder als sonstige Print- oder Medienkampagne, jeder möchte Ihnen derzeit irgendeine Form der kostenlosen Wertermittlung schenken.
Warum das so ist, was Sie beachten sollten, was kostenlose Immobilienwertermittlungen können und wer letztlich davon profitiert, wird dieser Beitrag beleuchten.
Den klassischen Verfahren der Immobilienwertermittlung (Vergleichs-, Sachwert- und Ertragswertverfahren) ist vor allem eines gemein: Sie setzen eine Besichtigung voraus. Auch in der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) ist unter §4 Abs. 1 normiert, dass das zu bewertende Objekt zu besichtigen ist.
Diese Notwendigkeit erscheint bereits daher nachvollziehbar, da eine Immobilie eine äußerst individuelle Sache ist. Je älter eine Immobilie wird, desto individueller wird sie sogar.
Küche, Böden, An- und Umbauten, Instandhaltungszustand und Schäden, evtl. Baumängel sind fast bei jeder Immobilie unterschiedlich. Im Gegensatz zu einem tausendfach baugleich hergestellten Fahrzeug, das eher selten größeren Individualisierungen unterliegt.
Und selbst bei Fahrzeugbewertungen bleibt am Ende nur eine Besichtigung übrig, um die Schwankungsbreiten zu einem nutzbaren Ergebnis einzugrenzen. Wohlgemerkt trotz ursprünglich einheitlichem Verkaufspreis und praktisch baugleichem Produkt.
Ist es dann also gar nicht möglich, ohne Besichtigung einen vernünftigen Anhaltspunkt für den Immobilienwert zu bekommen? Jein.
Einen ersten Anhaltspunkt, eine erste Größenordnung, können manche Online-Wertermittlungen tatsächlich liefern. Hierbei werden im Hintergrund die veröffentlichten Bodenrichtwerte, Vergleichsmieten, Vergleichskaufpreise jedoch nicht immer herangezogen. Entscheidend für die Qualität einer solchen Werteinschätzung ist aber gerade vor allem das zugrundeliegende Datenmaterial.
Sind keine Daten verfügbar, was gerade in ländlichen Regionen häufig der Fall ist, oder werden verfügbare Daten aus Kostengründen nicht genutzt, dann werden günstigere Daten (z.B. aus anderen Regionen oder zu wenig vergleichbaren Objekten) oft einfach hochgerechnet, was zu gravierenden Abweichungen oder gar zu gänzlich falschen Ergebnissen führen kann.
Bei sogenannten Immobilienwertermittlung von Onlineportalen handelt es sich oft um bloße Auswertungen aktueller Angebotspreise. Verfälschend ist dabei der Umstand, dass nur die im eigenen Portal angebotenen Objekte berücksichtigt werden. Andere Portale oder Privatverkäufe werden dadurch nicht erfasst. Auch tatsächliche Kaufpreise werden nicht abgebildet, lediglich Angebotspreise. Hierin bereits eingepreiste Verhandlungsspielräume werden dadurch also mehrfach berücksichtigt.
Oft genug erhalten Sie am Ende ohnehin überhaupt keine Werteinschätzung. Vielmehr stellt sich am Ende der Dateneingabe heraus, dass Ihnen statt der Anzeige eines Ergebnisses nur das Einverständnis zur Kontaktaufnahme durch einen Makler vor Ort entlockt werden soll.
Wird dieses erteilt, so haben Sie dafür gesorgt, dass die kostenlose Bewertung nicht wertlos bleibt, denn zumindest der Anbieter der „Wertermittlung“ kann nun Ihre Kontakt- und Objektdaten an meist mehrere Makler für teilweise mehrere hundert Euro je Datensatz verkaufen. Für manche Makler scheinbar trotzdem noch ein lohnendes Geschäft.
Klar ist jedoch auch, dass Makler, die bereits für Ihre Adressdaten teuer in Vorleistung gegangen sind, diesen sogenannten Lead (Ihre eingegebenen Daten) auch in einen Auftrag umsetzen möchten und Ihnen dann einen teilweise absurden Höchstpreis zu versprechen, um auf jeden Fall den Auftrag zu erhalten. Von einer Wertermittlung ist man spätestens jetzt meilenweit entfernt.
Zum evtl. folgenden Ortstermin kommt der Makler dann auch nicht mehr für Wertermittlungszwecke, sondern vielmehr bereits, um Fotos für die Vermarktung zu erstellen. Ein höchst unseriöses Geschäft mit Ihren sensiblen Daten von dem insbesondere der Lead-Verkäufer als Datenhändler profitiert. Um eine qualifizierte Wertermittlung handelt es sich nicht mehr. Und kostenlos ist das ebenfalls nicht. Vielmehr sind Sie selbst bzw. Ihre Daten das verkaufte Produkt.
Für eine Immobilienwertermittlung bedarf es einer Besichtigung des Objekts und einer Sichtung der zugehörigen Unterlagen. Eine gute Bewertungssoftware kostet Geld, da dort auf wirklich belastbare Daten zurückgegriffen werden muss. Diese Daten müssen erfasst, aktualisiert, gepflegt und im System hinterlegt werden.
Erste Anhaltspunkte können sich zwar auch bei einigen wenigen seriösen Bewertungsanbietern ergeben (die meisten Anbieter von Bewertungssachverständigen-Spezialsoftware bieten auch Kurzbewertungstools an, die auf belastbareren Daten basieren), selbst dort sind die dabei ausgegebenen Preisspannen aber ohne nähere Eingrenzung durch einen Fachmann praktisch wertlos. (Während eine Fahrzeugbewertung mit einer Preisspanne von z.B. „10.000 € plusminus 20%“ noch halbwegs Orientierung liefert, so führt die gleiche Preisspanne bei einer 500.000 €-Immobilie bereits zu dem völlig unbrauchbaren Ergebnis „400.000 bis 600.000 €“. Eine Preisspanne, mit der bei einer Immobilie kaum mehr wirklich etwas anzufangen ist.)
Um eine wirklich verlässliche Wertermittlung zu bekommen, anstatt Ihre Daten zum Verkauf freizugeben, sollten Sie besser auf kostenlose Online-Wertermittlungen verzichten.
Leider können Sie sich auch nicht einfach an einen beliebigen Makler wenden, da es der Gesetzgeber bis heute nicht geschafft hat, eine Berufszugangsqualifikation einzuführen und Sie so auch an völlig unausgebildete „Immobilienbewerter nach Pi-mal-Daumen-Art“ geraten können. Und nur die wenigsten Makler haben eine ausgewiesene Expertise in der Immobilienbewertung.
Vergleichen Sie unbedingt diese Qualifikationen und wenden Sie sich nur an erfahrene und zertifizierte Experten, die beispielsweise auch als Sachverständige tätig sind. Nur so stellen Sie sicher, dass Sie wirklich eine belastbare Bewertung erhalten und keine leere Versprechung, die Sie am Ende durch eine lange Vermarktungsdauer und ein „Totinserieren“ Ihres Objekts letztlich mit einem geringeren Kaufpreis bezahlen.
Und ja, eine Wertermittlung kostet Geld, denn sie benötigt Zeit, fachmännisches Know-How und sie verursacht Aufwand. Das sollte Ihnen Ihre Immobilien allerdings wert sein.
Arno Pichler (Jahrgang 1977) begann seine berufliche Laufbahn nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre zunächst im Steuerfach. Bereits vor über zehn Jahren wechselte er durch seine Tätigkeit in der Immobilienverwaltung in die Immobilienbranche. Heute ist er Gutachter für Immobilienbewertung (PersCert TÜV), Fachmakler für Erbschaftsimmobilien und seit September 2019 Geschäftsführer der DÖRING & PICHLER GmbH (vormals DÖRING IMMOBILIEN GmbH) mit Büros in Dachau und Bayerisch Gmain.
[Ein Artikel aus unserem Hauspost-Archiv. Dieser Artikel erschien erstmals 2019 in Hauspost Nr. 7]
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